Prof.
Dr.Dr. h.c. mult.
Maria Iliescu
FEIERLICHE
AUSZEICHNUNG für
wissenschaftliche und kulturelle Verdienste
in der
Botschaft von Rumänien,
am 4. November 2009,
um 18:30 Uhr
GRUßWORTE:

S.E.
Dr. Lazar Comanescu, der Botschafter von Rumänien in der Bundesrepublik
Deutschland
Sehr
geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Iliescu,
Sehr geehrte Frau Dr. Scherf,
Sehr geehrte Frau Dr. Huberty,
Sehr geehrte Vertreter der Humboldt-Universität, der Deutsch Rumänischen
Gesellschaft und des Deutsch- Rumänischen Forums, Ich begrüße
Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Veranstaltung.
Wir haben uns hier aus einem freudigen und feierlichen Anlass zusammengefunden.
Frau Prof. Dr. Maria Iliescu erhält am heutigen Tage eine Auszeichnung,
die der Präsident von Rumänien an besondere Persönlichkeiten
für ihre herausragenden Leistungen verleiht.
Zunächst möchte ich Sie, meine Damen und Herren, mit einigen
Aspekte der Vita unseres Ehrengastes vertraut machen.
Frau Professor Iliescu ist derzeit Professorin am Institut für Romanistik
der Leopold-Franzens Universität Innsbruck – und seit 2007 Präsidentin
der Societe Internationale de Linguistique et Filologie Romane- es ist
dies die höchstmöglichste Position, die man in der Erforschung
der Romanischen Sprachen , zu denen auch die rumänische Sprache gehört,
erreichen kann.
Frau Prof. Dr. Iliescu hat ihr ganzes Leben der Wissenschaft und Forschung
gewidmet und einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der rumänische
Sprache und zur Entwicklung der rumänischen Linguistik geleistet.
Sie ist Sprachforscherin von hohem internationalen Ansehen.
Frau Prof. Iliescu wird heute Abend einen Vortrag halten. Das Thema ist
sprachlicher Natur und lautet: „ Rumänisch - eine romanische
Sprache.“
Dazu möchte ich anmerken: Rumänien ist bekanntermaßen Mitglied
der EU- und bringt seine große und reichhaltige Kultur- in unsere
Gemeinschaft ein.
Und trägt, wie wir hoffen, zu einer weiteren kulturellen Bereicherung
unserer Staatgemeinschaft bei.
Wir sind sehr stolz, Sie, Frau Prof. Iliescu, hier , heute, bei uns zu
sehen- und erwarten ihren Vortrag voller Spannung.
Ich möchte nun bei den beiden Künstlern, Frau Condriuc und Herrn
Schmidt bedanken , die die musikalische Umrahmung für uns gestalten.
Zum Abschluss des Abends lade ich Sie herzlich zu einem Sektempfang ein.
Darf ich Sie nun Frau Prof. Iliescu, zur Überreichung des Ordens nach
vorne bitten?
EINFÜHRUNG:

Dr.
Ioana Scherf unterrichtet Rumänisch an der Humboldt-Universität
zu Berlin und ist Leiterin der Rumänischen Schule Berlin - Brandenburg
Sehr verehrter Herr Botschafter Comanescu,
sehr verehrte Frau Professor Maria Iliescu,
liebe Kollegen, liebe Studenten, liebe Künstler,
sehr verehrte Gäste,
liebe Freunde der Rumänischen Schule Berlin-Brandenburg!
Wieso
habe ich das Privileg heute vor Ihnen zu sprechen? Spreche ich, als Leiterin
der R.S.BB oder spreche ich (und das ist wieder ein Privileg)
als Lektorin für Rumänisch am Institut für Romanistik der
Humboldt Univ. zu Berlin?
Nein sehr geehrte Damen und Herren keiner dieser Gründe trifft zu.
Ich glaube, ich stehe heute vor Ihnen als einer von vielen Menschen, mit
Wurzeln in Rumänien und Flügeln (lese auch Kopf) In Deutschland,
d.h. als einfacher und dankbarer Mensch.
Ich habe sehr oft gesagt: unser Leben ist ein großer Bahnhof; Menschen
kommen und gehen. Ein Treffpunkt eben! Schicksale kreuzen sich, berühren
sich oder sie bleiben parallel.
An einige Menschen erinnern wir uns überhaupt nicht mehr! Wir gehen
gleichgültig aneinander vorbei, nicht mal an ihre Namen erinnern wir
uns oder daran wie sie aussehen.
Andere Menschen wiederum lassen tiefe Spuren in unserer Seele, in unseren
Herzen und in unserem Geist.
Aber wie zahlreich sind diese? Wir können Sie an den Fingern einer
Hand abzählen: 2, 3, 5, wie ist es bei Ihnen?
Aber ich bin mir sicher und es gibt keinen Zweifel, ich bin ein glücklicher
Mensch. Ja, auf meinem Lebensweg habe ich wunderbare Menschen getroffen.
Ich schulde Ihnen, was ich heute bin. Was wäre ich ohne Sie geworden?
Einer dieser Menschen, die mein Leben zutiefst geprägt haben, ist
zweifelsohne Frau Prof. Dr. Maria Iliescu.
Natürlich kannte ich die Bücher von Frau Professor Iliescu. Persönlich
habe ich sie aber erst in Innsbruck, im Jahre 1992 kennengelernt. Ich hatte
ein dreimonatiges Stipendium von der Universität Salzburg bekommen.
Viele Sachen waren neu für mich. Z.B. man bewirbt sich, man hat keine
Beziehungen, und man wird, ganz einfach so, trotzdem genommen.
Sie hat mir viel Vertrauen entgegengebracht und das hat mein Selbstbewusstsein
gestärkt. Sie fragte mich: bleibst du den ganzen Tag in der Bibliothek?
Schön! Hast du aber die Stadt schon besucht? Da machte ich plötzlich
die Augen auf….. Nein ich hatte keine Augen für das Leben.
Ich habe diese Begegnung als Ansporn betrachtet und als Aufruf zum Handeln….
Ich liebte und ich bewunderte gleich Ihre unkomplizierte und direkte Art,
den Mut jederzeit das zu sagen, was man denkt. Wären wir nicht ohne
solche Vorbilder ärmer? Wir brauchen Wertevermittler und Richtungsweiser
in unserem Leben. Was können sonst unsere Kinder von uns lernen?
Deswegen bin ich glücklich. Und glücklich bin ich heute auch,
dass ein herrliches Publikum vor mir steht. Ihr Interesse an dieser Veranstaltung,
sehr geehrte Damen und Herren, ist der schönste Beweis, dass Rumänien
es Wert ist, geliebt und geschätzt zu werden.
Wir vermitteln die rumänische Kultur und die rumänischen Werte
hier in Deutschland. Das macht jeder von uns in jedem Augenblick, wenn
wir untereinander und miteinander kommunizieren, stellen wir uns nicht
nur selbst dar, sondern wir vermitteln gleichzeitig die rumänische
Kultur und die Werte unseres Volkes.
Mein Einsatz für die rumänische Sprache kommt aus folgender Überzeugung:
Es lohnt sich dieses schöne Land zu erleben (mit allen Sinnen), es
lohnt sich seinen Menschen zu begegnen, seiner Kultur, seine Naturschönheiten
zu ergründen, es lohnt sich diese Sprache zu lernen.
Ich bin dankbar, dass sie hinter mir gestanden haben und ich fühle
mich geehrt unsere bescheidene Arbeit – die Vermittlung der rumänischen
Sprache hier in Berlin - fortsetzen zu dürfen.
LAUDATIO:

Dr.
Maren Huberty, lehrt seit 1983 französische, rumänische und
italienische Sprachwissenschaft am Institut für Romanistik der Humboldt
Universität zu Berlin.
Laudatio
Es
ist mir eine besondere Ehre, Ihnen hier eine der ganz großen Persönlichkeiten
der Romanistik vorstellen zu dürfen, und zwar eine der Grandes Dames
der allgemeinen und romanischen Sprachwissenschaft: Frau Prof. Dr. Dr.
h.c. mult. Maria Iliescu. Wenn man im digitalen Zeitalter den Begriff Grande
Dame googelt, dann lehrt uns wikipedia, dass so „im kulturellen Leben
der Gesellschaft eine ältere Künstlerin genannt wird, die vermöge
ihrer Lebensleistung, ihres Erfahrungsschatzes und ihrer inspirierenden
Dynamik eine eigene Institution und ein unverwechselbarer Charakter geworden
ist. Die Grande Dame hat es auf einem bestimmten, abgrenzbaren Gebiet zu
erheblicher Prominenz gebracht und Generationen geprägt.“ Künstlerinnen
dieses Formats gibt es sicherlich nicht wenige, aber in der nach wie vor
männlich dominierten Wissenschaftslandschaft sind Frauen noch eher
eine Ausnahmeerscheinung. Und eben eine solche ist Maria Iliescu, die im
vergangenen Jahr als erste Frau zur Präsidentin der renommierten Société Internationale
de Linguistique et Philologie Romane gewählt wurde. Das ist die internationale
Vereinigung innerhalb der romanistischen Linguistik, die die wichtigste
romanistische Zeitschrift herausgibt und im Dreijahresrhythmus den Weltkongress
veranstaltet. Den letzten Weltkongress hatte Maria Iliescu vor zwei Jahren,
damals noch Vizepräsidentin, nach Innsbruck geholt und mit organisiert.
Sie ist also prominent.
Als „eine Ausnahmeerscheinung in unserer im allgemeinen ziemlich
nivellierten west- und mitteleuropäischen Wissenschaftslandschaft“ wird
sie auch von Johannes Kramer in seinem Beitrag „Maria Iliescu – Porträt
einer Romanistin“ (in: Kramer/Plangg [Hg.], Verbum romanicum: Festschrift
für Maria Iliescu, Hamburg 1993, S. 11-18) beschrieben: „Sie
ist für mehrere Gebiete die ausgewiesene Kennerin, aber eine Spezialistin
im schlechten Sinne des Wortes ist sie nicht, denn sie versucht im Gegensatz
zur tonangebenden Tendenz, die ganze Romania in den Blick zu nehmen und
darüber hinaus das nicht zu vernachlässigen, was man aus anderen
Fächern lernen kann.“ (S. 17). Das spiegelt sich wider in den über
400 Publikationen zu den romanischen Sprachen Mittel-, Süd- und Osteuropas:
Französisch, Italienisch, Ladinisch, Friaulisch und Rumänisch.
Die Publikationen beeindrucken sowohl durch die Vielseitigkeit der behandelten
Themen als auch durch ihre Methodenpluralität. Viele ihrer Arbeiten
gehören mittlerweile zum Kernkanon der romanischen Sprachwissenschaften,
was nicht zuletzt auch deren Aufnahme in verschiedene Enzyklopädien
beweist. „Was die Veröffentlichungen anbelangt“, so schreibt
Maria Iliescu in ihrem autobiographischen Aufsatz „Labor omnia uincit
improbus“ (in: Gauger/Pöckl [Hg.], Wege in die Sprachwissenschaft,
Tübingen 1991, S. 118-123) und das sollte unbedingt hervorgehoben
werden, „so glaube ich ebenfalls von Prinzipien meines einstigen
Lehrers Alexandru Graur, wenigstens teilweise geprägt zu sein. So
habe ich es nie über mich gebracht, denselben Aufsatz, wenn auch in
einer anderen Sprache, nochmals zu publizieren.“ (S. 122) Sie fügt
allerdings in Klammern hinzu, dass dieses Prinzip heute vielleicht nicht
mehr richtig sei, denn niemand könne es sich zeitlich leisten, sich
ausgefallene Zeitschriften zu verschaffen oder Texte in schwer verständlichen
Sprachen zu lesen. Daher ist es erfreulich, dass in den letzten zwei Jahren
drei Sammelbände mit ihren Aufsätzen erschienen sind, denn wie
Johannes Kramer in seinem Vorwort zur Aufsatzsammlung Pan- und Raetoromanica.
Von Lissabon bis Bukarest, von Disentis bis Udine (Stuttgart 2007) schreibt,
sollen auf diese Weise die teilweise „verstreut publizierten und
in kaum einem Seminar für Romanistik komplett vorhandenen Beiträge
Maria Iliescus zugänglich [gemacht werden].“ Der von der Academia
Româna herausgegebene Band Româna din perspectiva romanica
(2007) vereint wiederum viele ihrer in ausländischen Zeitschriften
und in Rumänien nicht vorhandenen publizierten Beiträge zum Rumänischen.
Zu den wichtigsten Monographien zählen Le frioulan à partir
des dialectes parlés en Roumanie (1972), ihre im Verlag Mouton,
Den Haag/Paris veröffentlichte Dissertation, wofür sie den Preis
der Rumänischen Akademie der Wissenschaften erhielt, La typologie
de la morphologie verbale romane (1991 gemeinsam mit Louis Mouron) Du latin
aux langues romanes (1991 gemeinsam mit Dan Slusanski).
Für ihr Lebenswerk wurde sie 2005 mit dem „Tiroler Landespreis
für Wissenschaft“ ausgezeichnet. Sie hat die Ehrendoktorwürde
der Universitäten Bukarest, Timisoara und Innsbruck und ist Ehrenmitglied
des Instituts für Linguistik der Rumänischen Akademie der Wissenschaften.
Erst kürzlich wurde ihr die Ehrenmedaille der Universität Gent
verliehen.
Aber die Lebensleistung bemisst sich nicht nur an der Quantität und
der Qualität der Publikationen, nicht nur an der Zahl der Ehrungen,
sondern eben auch am Engagement der Vermittlung dieses Erfahrungsschatzes,
und zwar auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Nicht zuletzt
das macht die Institution Maria Iliescu aus. Sie ist zum einen eine streitbare,
unbequeme und durchsetzungsfähige Wissenschaftlerin, zum anderen aber
zugleich eine dem Einzelnen in allen universitären und außeruniversitären
Belangen zugewandte, immer freundliche, pragmatische und hilfsbereite Persönlichkeit.
Meine erste Bekanntschaft mit dem Namen Maria Iliescu geht auf dieses
kleine Wörterbuch Rumänisch-Deutsch / Deutsch-Rumänisch (Leipzig
1972) zurück. Das ist jetzt genau 30 Jahre her. Die DDR schickte in
jener Zeit, aus Mangel an Studienplätzen, viele junge Leute in die
damals sogenannten sozialistischen Bruderländer und ich bekam einen
Studienplatz für Rumänistik und Französistik an der Universität
Timisoara zugeteilt. Ich lernte also noch in der Abiturklasse Rumänisch
und die erste Anschaffung war natürlich ein Wörterbuch. Während
des Studiums und noch lange danach stand für mich der Name Iliescu
für eine wissenschaftliche Autorität, die unerreichbar schien.
Als wir uns dann nach vielen Jahren persönlich begegneten, vermittelte
sie mir das Gefühl, uns schon ewig zu kennen.
Erklärlich ist diese gelungene Symbiose von Professionalität
und Menschlichkeit vermutlich vor dem Hintergrund einer doppelten Prägung
durch ungewöhnliche Lebensumstände und durch herausragende Persönlichkeiten.
Hinzu kommt ein unbändiger Arbeitswillen. Nicht ohne Grund betitelt
sie ihren autobiographischen Aufsatz mit „labor omnia uincit improbus“ (Unverdrossenes
Arbeiten überwindet alles).
Als Harriett Marion Adlersberg wurde sie in Wien in einem großbürgerlichen, österreichischen
Elternhaus geboren. Zwölfjährig zog sie mit ihrer Familie Ende
der 30er Jahre nach Rumänien, wo sie in Bukarest ein französisches
Nonneninternat besuchte. Von 1946-1950 studierte sie Klassische Philologie,
Indogermanistik und allgemeine Sprachwissenschaft sowie auch moderne Fremdsprachen
und mittelalterliche Geschichte. Geprägt wird sie in diesen Jahren
vor allem durch ihren Lehrer Prof. Alexandru Graur.
An der Universität lernte sie auch ihren zukünftigen Mann Vladimir
Iliescu kennen, der ihr, die ursprünglich ein Noviziat anstrebte,
nicht nur „klar zu machen versuchte“, so schreibt sie, „dass
es in einem sozialistischen Rumänien keinen Platz für religiöse
Einrichtungen, insbesondere katholische geben werde, sondern auch, dass
einem katholischen, aus großbürgerlichem Haus stammenden Mädchen,
das noch dazu im Ausland geboren war, in diesem Land nichts Gutes blühe
würde. Deshalb sollte ich schleunigst das Land verlassen, wofür
sich damals eine gute Möglichkeit anbot. Vom Verlassen des Landes
wollte ich aber nichts wissen! (le coeur a ses raisons que la raison ne
connaît pas!) Ich blieb in Bukarest.“ (Gauger/Pöckl 1991,
S. 118) Und das tat sie mit allen Konsequenzen.
Trotz dieser noch jungen, aber illustren Vergangenheit stellt Graur sie
nach dem Staatsexamen als Assistentin ein. Allerdings wurde er 1952 von
der Universität verbannt, ein Teil seiner 30 Mitarbeiter, darunter
die Iliescus, „entlassen und als Volksschullehrer in gottverlassene
Dörfer geschickt“. (Gauger/Pöckl 1991, S. 119) Eine neue
Chance erhielt Maria Iliescu mit der Gründung der „Akademie
der Wissenschaften“, an der sie bis 1972 eine leitende Mitarbeiterstelle
am Institut für Linguistik innehatte. Dort war sie an der Erarbeitung
der ersten großen Grammatik der rumänischen Sprache beteiligt
und erhielt für deren Syntax-Teil 1955 den Staatspreis 2. Klasse.
Und sie war gleichzeitig für den Aufbau einer Abteilung für zweisprachige
Wörterbücher verantwortlich. Unter ihrer Leitung entstand dort
z. B. das große Wörterbuch Deutsch-Rumänisch, deren dritte überarbeitete
Auflage 2007 erschien. 1958 übernahm dann Prof. Iorgu Iordan (der
1952 ebenfalls zu den „personae non gratae“ gehört hatte)
die Leitung des „Institutul de lingvistica“ und „eine
seiner fruchtbarsten Ideen“, so Kramer, „war die Erstellung
einer umfangreichen, sprachwissenschaftlich kommentierten Sammlung von
Texten aus allen romanischen Sprachen vom Vulgärlateinischen bis zur
Gegenwart, [die 3-bändige Crestomatie romanica], ... die bis heute
umfangreichste und beste Sammlung dieser Art“. (Kramer/Plangg 1993,
S. 13)
Maria Iliescu wurde als klassische Philologin mit der Bearbeitung des
Abschnittes über
das Vulgärlateinische und als deutsche Muttersprachlerin mit der Erstellung
der Textauswahl zur „limba retoromana“ betraut. Die Erforschung
der Sprachformen der über Rumänien verstreuten Friulaner führte
zur Erarbeitung ihrer bereits erwähnten Dissertation. Allerdings nicht
ohne Hindernisse. Mehrmals wurden ihre Anträge auf eine Promotion
aus politischen Gründen abgelehnt, so dass sie erst 1967 das endlich
genehmigte Promotionsverfahren abschließen konnte.
Nach politischem Tauziehen und einer vorübergehenden Öffnung
des Landes erhielt Maria Iliescu 1972 eine ordentliche Professur für
Romanische und Allgemeine Sprachwissenschaft an der neuen Universität
von Craiova, wo sie mit unglaublichem Pioniergeist die Sprachwissenschaft
aufbaute. Hier entstanden ihre Lehrwerke: Latina vulgara. Introducere în
studiul limbilor romanice I (1980), Limbile romanice. Introducere in studiul
limbilor romanice II (1981), Vocabularul minimal al limbii române
curente (Bucuresti 1981).
Doch die ersten Ansätze einer erhofften Liberalisierung unter Ceausescu
fielen einer erneuten, mit aller Macht einsetzenden innenpolitischen Eiszeit
zum Opfer. Ihre moralische und politische Kompromisslosigkeit ließ jedoch
keine Zusammenarbeit mit der securitate zu, „nu am nici un merit“, „ich
hätte damit nicht leben können“ wird sie, von Freunden
darauf angesprochen, später sagen, und die Konsequenz sind zunehmende
Repressalien und allmähliche Ausgrenzung, vor allem ihres Mannes,
aus dem beruflichen Leben. Schließlich wird die 1981 beantragte Ausreise
nach zweijährigem Martyrium genehmigt und wieder gab es einen Neuanfang. „Die
Wunden zu lecken ist jedoch Maria Iliescus Sache nicht“, schreibt
Kramer, „Zufällig fiel das Datum der Ausreise mit dem Beginn
des Romanistentages in Aix-en-Provence zusammen und so fuhr sie gleich
weiter nach Südfrankreich, um die ersten Tage der neuen Freiheit der
geliebten Wissenschaft und dem lange vermissten Kontakt zu den Kollegen
zu widmen, von denen sie viele ja nur brieflich kannte.“ (Kramer/Plangg
1993, S. 16)
Seit 1983 lehrt und forscht Maria Iliescu in Innsbruck, zunächst als
Gastprofessorin, dann als Vertragsprofessorin und seit 1994 als Honorarprofessorin.
Parallel dazu ist sie von 1988-1997 „Professore associato di Lingua
e Letteratura Romena“ an der Universität von Trient und seit
1990 „Profesor consultant“ an der Philologischen Fakultät
der Universität Craiova. In der Geschichte des Instituts für
Romanistik der Universität Innsbruck heißt es: „Durch
die Anwesenheit von Prof. Iliescu entspannte sich die Situation in der
sprachwissenschaftlichen Lehre wesentlich, denn nun waren die Studienrichtungen
Französisch und Italienisch in gleicher Weise abgedeckt.“ (www.uibk.ac.at/romanistik/)
Sie organisiert Tagungen und Kolloquien und initiiert für die Innsbrucker
das europäische Austauschprogramm ERASMUS.
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war ihr immer ein
wichtiges Anliegen. So wie sie von ihrem Lehrer Alexandru Graur schwärmt: „Seine
Vorlesungen, die er immer frei vortrug, waren so klar, dass wir das Gefühl
hatten, die Materie sogleich zu beherrschen“ (Gauger/Pöckl 1991,
S. 119), genauso ist Maria Iliescu ihren Studenten in Erinnerung: die Begeisterung
für die Sprachwissenschaft sprang immer über. Und das nicht nur
in den Vorlesungen und Seminaren, auch im Institutscafé in Innsbruck
sorgte sie mit kleinen Geschichten und Anekdoten, nicht nur zur Sprachwissenschaft,
für Unterhaltung. Und wenn aus dem kleinen Kämmerlein der rätoromanischen
Bibliothek mal ein Jauchzen herüberschallte, dann spielte sie mit
ihrer langjährigen Kollegin und Freundin, der 2008 verunglückten
Lotte Zörner, über zusammen geschobene Bibliothekstische hinweg
eine Runde Tischtennis, solange, bis die Bälle hinter den Büchern
verschwanden. Ja, auch das ist die Institution Maria Iliescu.
Um nochmals auf das Wörterbuch zurückzukommen, so haben Sie selbst,
liebe Frau Iliescu, am Ende Ihrer Rezension zum Wörterbuch von Tiktin,
das unter Leitung von Paul Miron neu herausgegeben wurde, geschrieben: „l’élaboration
d’un grand dictionnaire roumain-allemand moderne reste encore un
souhait dont la réalisation ne sera possible que par un travail
d’équipe comme celle de Paul Miron et grâce à une
subvention généreuse, qui, espérons-le, ne se fera
pas attendre trop longtemps.“ (Revue de Linguistique Romane 54 (1990,
S. 560) Das war vor 20 Jahren und wir warten immer noch. Da Romanisten
in der Regel mit einem biblischen Alter gesegnet sind - Menéndez
Pidal ist fast 100 Jahre alt geworden und Ihr verehrter Förderer Iorgu
Iordan 98 - können wir vielleicht auf Ihre Unterstützung für
ein solches Projekt hoffen. Maren Huberty
VORTRAG

Prof.
Dr.Dr. h.c. mult. Maria Iliescu, Präsidentin der Société de
Linguistique Romane Vortrag zum Thema
„Rumänisch
: Eine romanische Sprache“
1.0. Obwohl das Rumänische eine der wenigen romanischen Sprachen ist,
die den Namen ihrer Abstammung erhalten hat, wurde seine Romanität
sehr spät
erkannt. Der Grund ist die Lage Rumäniens auf der europäischen
Landkarte.
Dies
zog drei Folgen mit sich :
erstens
den Verlust des Kontaktes mit anderen romanischen Sprachen während
desMittelalters
zweitens den Verlust des Kontaktes mit dem Latein in seinen verschiedenen
nochvorhandenen Varianten,
drittens den Kontakt mit den Nachbarsprachen, die alle nicht romanisch sind. Dem
Westen war das Rumänische unbekannt. Trotz alledem, haben fremde Reisende
und Rumänische
Gelehrte ab dem XVI. Jh. erkannt, dass es sich um einen Ableger des Lateinischen
handelt.
Schon zu Beginn des XV. Jh. stellt Bischof Johann von Sultanyech, ein unermüdlicher
Kämpfer gegen die Ottomanen fest, indem er sich auf die Bewohner der
Walachei und der
Moldau bezieht:
ipsi habent linguam propriam et quasi latinam, ut fertur , ipsi exiverunt de
Romanis.
„
Bei den näheren Sarmaten, gibt es, wie man sagt, eine von Trajan zurückgelassene
Kolonie.
Diese, obwohl von einer großen Barbarei umgeben, hat noch zahlreiche
lateinische Wörter
aus Italien bewahrt, woher diese Wörter stammen. Sie verwenden die Wörter
für Auge,
Finger, Hand, Brot und für viele andere Begriffe, aus denen ersichtlich
wird dass sie von
Lateinern stammen, die als Kolonisten zurückgelassen wurden“.
Die
Latinität des Rumänischen wurde nicht nur von Sprechern einer
romanischen Sprache, wie es z. Beispiel die italienischen Humanisten waren,
erkannt, sondern auch von
nicht Romanen, die das Lateinische kannten. Der schwedische Romanist Alf
Lombard hat die interessante Reisebeschreibung eines schwedischen Diplomaten
veröffentlicht, der um die Mitte des XVII. Jh.,
durch Siebenbürgen und die Walachei reiste und dem die rumänische
Sprache „ein Latein
mit etwas verdorbenen Akzent „ schien. (Les terres roumaines vues
par un voyageur suédois
en 1657, in ‘Revue desé
tudes sud-est européennes XII 1974) :
«
Man gelangte sogleich zu den ersten Dörfer der Walachen, und zwar
nach Rucar, dann
gegen 15.30 nach Dragoslavele. Die Rumänen (Walachen) dieses Dorfes
genau wie
diejenigen des vorherigen Dorfes, das wir im Begriff waren zu durchqueren
waren sehr erstaunt über das Erschienen der Schwede; sie hatten
so etwas noch nicht gesehen. Sie haben festgestellt, dass diese Schweden
junge Leute von hohem Wuchs waren. Aber alle Bewohner dieser zwei
Dörfer sprachen Lateinisch, sowohl die Männer wie die
Frauen. Doch war ihre Aussprache ein wenig korrompiert. Es waren die
Nachkommen von alten und echten römischen Kolonien. Alle waren
derart glücklich, dass man es nicht
beschreiben kann. Sie haben uns gesagt, dass sie noch niemals das Glück
hatten jemanden der sich in ihrer
Muttersprache ausdrückte. Wir waren nicht weniger erstaunt Lateinisch
zu hören, und das
gesprochen als Muttersprache dieser Leute. Wir hatten den Eindruck uns
in der Mitte der alten
Römer zu befinden. Sie umgaben uns mit ihren Frauen und mit ihren
Kindern und sie
wünschten uns Erfolg und Wohlstand.»
Den
Beweis für das sprachliche Bewusstsein der Zugehörigkeit des
Rumänischen zur Gruppe der romanischen Sprachen erbringt
Andreas Müller,
ein Philologe des XVII Jh. der
zu den verschiedenen Fassungen des Vaterunsers auch die rumänische,
unter dem Titel valachia versio. hinzufügt.
Im
XIX. Jh, in der ersten romanischen Grammatik von F. Diez,. steht das
R. bereits
neben ihren anderen rom. Schwestern.
Steht nun die Latinität des Rumänischen unbestritten fest,
so ist der Platz, den es im Rahmen der Romania, den anderen Sprachen
gegenüber einnimmt nicht völlig
geklärt. Allgemein anerkannt wird heute die besondere Individualität
der rumänischen
Sprache. Bartoli, ein großer italienischer Linguist, hatte
schon am Anfang des XX. Jh. über die spiccata individualità della
lingua romena geschrieben. Gleichzeitig ist, seiner Meinung nach,
das Rumänische „die dem Lateinischen am meisten und zugleich
am wenigsten treue aller
romanischen Sprachen.
Doch
jede romanische Sprache hat ihre eigene Individualität und Originalität,
und die schon im XIX. Jh. unternommenen Klassifizierungsversuche
haben gezeigt, dass diese von
der Zeitspanne auf die sie sich beziehen und von den Kriterien auf
welche sie sich stützen abhängen. Außerdem
hat es sich herausgestellt, dass die Beziehungen der romanischen Sprachen
untereinander von einem Bereich der Sprache zum anderen verschieden
ist. Hier
nur zwei Beispiele:
Vom
Standpunkt der Phonologie ist das Spanische dem R. am nächsten (B.
Müller);
ausgehend von der Morphologie ist (nach Manczak) das Italienische
die Sprache die dem
Rumänischen am ähnlichsten ist. Gesehen vom Standpunkt der Bereicherung
des
Wortschatzes durch Lehngut, ist es weitaus die Sprache die die
meisten Neologismen aus dem Französischen entlehnt hat.
Auf
Grund dieser und vieler anderen Vergleiche, die im Laufe der Zeit gemacht
worden
sind, können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:
a)
Das Rumänische ist reicher an Neuerungen- und konservativen Merkmalen
als die
anderen romanischen Sprachen (wie es schon Bartoli feststellte).
b) Die rumänische Sprache ist mit allen anderen romanischen Sprachen
verbunden und zwar nicht nur durch allgemeinromanische Strukturen,
sondern auch durch eine Reihe von Merkmalen, die es nur mit einer
oder zwei dieser Sprachen teilt.
Gestatten
Sie dass ich an Hand von wenigen Beispielen den zweiten
Punkt der oben
Angeführten Schlussfolgerungen beleuchte.
Beginnen möchte ich mit Merkmalen, die das Rumänische. nur
mit einem oder
mit mehreren romanischen Idiomen teilt (2.1.), um dann auf
Wesenszüge
einzugehen, die fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet wurden (2.2.) um abschließend über
Charakteristika zu sprechen, die man zu Unrecht einem externen
Einfluss zugeschrieben hat
(2.3).
2.0.
Merkmale die das Rumänische nur mit einem oder mit einigen anderen
romanischen Idiomen teilt.
2.1.
Portugiesisch, Spanisch, Katalanisch, Okzitanisch
Auf
die Steigerung der Adjektive mit Hilfe von MAGIS (> port. mais,
sp.mas, kat., okz. mes,
rom. mai) und nicht mit PLUS wie das Französische, das Rätoromanische,
das Italienische und
das Sardische (rum. o carte mai buna ~ sp. un libro mas bueno) hat schon
Bartoli als
auffallende Verbindung zwischen den ‚Seitenarealen’, mit
anderen Worten zwischen dem
Rumänischen und den iberischen Sprachen, hingewiesen. 2.2.
Französisch, Okzitanisch und Rätoromanisch
Nur
das Französische, das Okzitanische und die rätoromanischen
Dialekte besitzen wie das
Rumänische ein vereinfachtes binäres System der Demonstrativa
nach dem Kriterium Nähe
und Entfernung: rum. acest ~ acel; surs. quest ~ quel, okz. aquest ~aquel,
frz. ce-ci ~ ce-là.
In den anderen romanischen Sprachen sind die Demonstrativa in ein älteres
lateinisches Dreier- System eingeteilt (cf. sp. este, ese, aquel,
sard. custu, cussu, cuddu) oder es existieren
noch Reste des Dreiersystems wie im Italienischen: questo – codesto – quello,
wobei im zeitgenössischen Italienisch codesto fast nicht mehr benützt wird.
2.3. Italienisch, Dolomitenladinisch, Friaulisch und Dialekte der Italia
Settentrionale
Die
maskuline Pluralendung –i des Rumänischen und des Italienischen
. wird als eines der
Hauptmerkmale der Ostromania gesehen. In restriktiver Distribution ist –i
als maskuline
Pluralendung teilweise auch im Dolomitenladinischen und im Friaulischen
gegeben (rum. vitel ~ vitei; it. vitello ~ vitelli, friaul. vidiel ~ vidiei).
3.0. Merkmale, die fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet
wurden
Sie
wurden entweder durch fremden Einfluss erklärt oder als charakteristisch
nur für das
Rumänische angesehen. 3.1.
Die Palatalisierung der Konsonanten durch ein Auslautendes nicht
sylbisches –i,
so wie
beim
Plural der maskulinen konsonantischen Stämme: un urs ~ doi ur?i,
un vi?el ~doi vi?ei.
Dieses Merkmal wurde meistens dem slawischen Einfluss zugeordnet, doch
diese Form des
rumänischen Plurals findet sich teilweise sowohl im Friaulischen und
im
Dolomitenladinischen wieder. 3.2.
Das Fehlen des bestimmten Artikels in den Präpositionalsyntagmen (mit
Ausnahme der durch die Präp. cu (und de-a) eingeleiteten Syntagmen Cartea sta pe
masa ‚das Buch auf
Tisch’. ~ aber Le livre est sur la table ‚das Buch ist auf
dem Tisch, so wie auch im Deutschen‚
Das Buch liegt auf dem Tisch’) Es handelt sich um eine Eigenheit
der Anfangsphase aller
romanischen Sprachen, denn der Artikel wurde sehr spät in Präpositionalsyntagmen
eingeführt. Einige wenige romanische Sprachen wie das Rumänische
und auch das
Bündnerromanische haben dieses altertümliche Merkmal beibehalten
(cf. Iliescu, 2001a,
2001b): rum. a merge la vânatoare = eng. ir a catscha, aber aller à la
chasse.
3.3.
Italienische südliche und nord-östliche Dialekte, Dolomitenladinisch
Die
Stammerweiterung gewisser Verben der A- Konjugation mit Hilfe des Suffixes
-ez- <
IDIO < gr. –IZO : a lucra – lucrez ist auch in süd-ost-italienischen
Dialekten, im Alt-
venezianischen sowie im Istroromanischen und Dolomitenladinischen zu finden
(cf.
Lausberg 1972, II, 201; Rohlfs, 1968, II, § 326; Iliescu-Mourin, 1991,
457): z. B.: rum.
lucr-eaz-a, gard. arpi-ei-a, a.ven. vende-ge-a. Es geht wie auch bei dem
Erweiterungssuffix
der IV.Konj. -esc/-isc um die Vermeidung der Unregelmäßigkeiten
des Stammvokals, die
durch den Akzentwechsel verursacht werden. Die Erweiterung mit –IDIO
war anfangs
wahrscheinlich panromanisch und semantischer Natur. Das Suffix drückte
eine
Wiederholung, das Iterativ, aus wie noch heute im Französischen und Spanischen.
Mit der
Zeit hat sich dann eine nicht semantische, rein nach Vereinfachung und Regelmäßigkeit
strebende Variante im nord-östlichen Teil der Romania herausgebildet.
3.4. Die Bildung des analytischen Futurs mit Hilfe des Modalverbs
a vrea < VOLERE.
(cf. infra
2.2.8.3.). Das Sardische benützt ebenfalls ein Modalverb, und. zwar ‚müssen’. Im Altsurselvischen wurde das Futur wie noch heute im Rumänischen
mit Hilfe des Verbs
VOLO gebildet. (cf. Mourin 1964, 247). Und das Sardische benützt zwar
nicht VOLERE, doch
ein anderes Modalverb: (DEBERE): deppo cantare. Von Anhängern des
Balkanischen
Sprachbundes wird die Bildung des Futurs mit dem Hilfszeitwort VOLERE als
eines der
wichtigen Merkmale der Zugehörigkeit des Rumänischen zu diesem
Bund gesehen (cf. Solta,
1998, 1027). Meiner Meinung nach ist die Bildung des Futurs mit einem Modalhilfszeitwort
nicht
sprachtypologisch, sondern kognitiv zu erklären, da man das Futur
nur verwendet, wenn man
etwas tun will oder tun muss. (S. dazu die Bildung des englischen Futurs
mit will ’wollen’ und shall ‚sollen’).
3.5.
Das teilweise Bewahren der synthetischen Nominalflexion wird als ein
Charakteristikum
des R. betrachtet. Man übersieht dabei die sehr alte Bildung des Genitivs
und des Dativs mit
Hilfe der Präpositionen AD und DE, die bis heute besonders in der
gesprochenen Sprache
Gang und Gebe sind : am adus ciocolata la copii. Außerdem wurde und wird noch die Homonymie zwischen Genitiv und Dativ
als
griechischer Einfluss betrachtet, obwohl die letzten Forschungen gezeigt haben,
dass es sich
um die gleiche Entwicklung wie im Altfranzösischen handelt.
4.00 Da man viel über den quantitativen Aspekt der lateinischen Elemente
gesprochen hat, bis man, noch zu Zeiten von dem Gelehrten Hasdeu,
die Erklärung
durch das Prinzip der
Frequenz, mit anderen Worten, durch den Unterschied zwischen der Wörtern
des
Kernwortschatzes und die des allgemeinen ganzen Wortschatzes, gefunden hat,
möchte ich
Ihnen zum Abschluss meines Vortrages ein Gedicht von Eminescu aufsagen.
Aici
La steaua
Ich
möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es im ganzen Gedicht 72
Wörter lateinischen Ursprungs und nur 4 slawische Wörter gibt (a
trebui, a zari, drum und icoana). Die letzen zwei (drum und icoana) sind zwar über das Slawische ins Rumänische
gelangt,
waren aber griechischen Ursprungs schon im Slawischen.
5.00 Gestatten
Sie, dass ich meinen aus Zeitgründen kurzen und allgemeineren
Vortrag mit
einer Schlussfolgerung meines Meisters Alexandru Graur abschließe:«
Avant de discuter les détails qui rapprochent le roumain du slave ou
de langues
balkaniques,il faut souligner avec force qu’il est, et qu’il reste
une langue romane »
Berlin, 4 noembrie 2009.
2.4. Rumänisch eine Kompromisssprache (cf. Iliescu, 2004)
Ich verstehe hier unter ‚Kompromiss’ die gleichzeitige Präsenz
von Merkmalen, die zwei verschiedene romanische Sprachen oder Sprachgruppen
charakterisieren.
Ich begnüge mich mit drei Beispielen aus Phonetik, Morphologie und
Syntax.
3.1. Die meisten romanischen Sprachen haben ein Vokalsystem, das als lateinischen
Ausgangspunkt ein Dreieck mit zwei symmetrischen Seiten bildet: eine Seite
mit drei palatalen Lauten (ein offenes e, ein geschlossenes ? und ein i)
und eine Seite mit velaren Lauten (ein offenes o, ein geschlossenes ? und
u). Das Vokalsystem des Sardischen beinhaltet nur fünf Vokale, mit
neurtralem Öffnungsgrad: i, e, a, o, u.
Das Rumänische Vokalsystem vereinigt beide oben angeführten Systeme:
die palatale Seite des Dreiecks richtet sich, mit 3 Vokalen ([e], [?],
und. [i] nach dem ersten System, die velare Seite richtet sich nach dem
zweiten System und verfügt hiermit über nur 2 Vokale: [o] und
[u]:PORCUS > porc, NEPOTE > nepot, FURCA > furca, LUNA > luna.
Der süditalienischen Dialekt der Basilicata (Südlukanien) verfügt über
ein ähnliches Vokalsystem wie das Rumänische.
3.2.
Die Sequenz Verschlusslaut + Liquid bleibt in Französischen überall
erhalten. Im Italienischen wird der Liquid überall zu [i] palatalisiert:
PLINU > fr. plein, it. pieno aber CLAVE > fr. clef, it. chiave; rum.
cheie. Das Rumänischen geht teilweise mit dem Französischen,
teilweise mit dem Italienischen. Und zwar bleibt der Verschlusslaut der
Gruppe PL erhalten wie im Französichen, doch der Verschlusslaut der
Gruppe CL wird palatalisiert wie im Italienischen: PLINU > plin, aber
CLAVE > cheie.
3.3. Die
Stellung der Possessivadjektiven kann vor oder nach dem Substantiv stehen.
Im Französichen und im Spanischen steht der Determinant obligatorisch
vor dem Substantiv mon livre, mi libro. Im Italiensichen steht das Possessivadjektiv,
wenn nicht markiert vor ( il mio libro, markiert aber auch nach dem Substantiv:
il libro mio. Auch im Rumänischen ist die doppelte Möglichkeit
gegeben: cartea mea/ a mea carte. Hier ist die zweite Form markiert.
Die Bemerkung von P. Ramat, dass das Rumänische. nur die nachgestellte
Form kennt, ist zu berichtigen (Ramat 1990 I, 20) und somit auch die typologische
Zuordnung des Rumänischen zu den Randsprachen. Wie in anderen Fällen
hat das Rumänische beide lateinischen Varianten beibehalten und das
wahrscheinlich, weil - im Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen
- kein prestigeträchtiges Modell zur Zeit der Herausbildung der neuen
Sprache zur Verfügung stand.
3.4. Zieht
man nicht nur die varietätenlinguistische, sondern auch
die diachronische Perspektive in Betracht, mehren sich die Beispiele des
verschiedenartigen Kompromisses.
3.4.1.
So sind in den Texten des XVI. Jh.s Beispiele für eine synthetische
und eine analytische Entwicklung des Konditionals zu finden: cântare < CANTAVERIM/CANTAVERO
und asu cânta
(cf. Rosetti 1986, 506-507). Die erste Form beruht auf dem lateinischen
Modell und hat sich weiter im Mazedo- und Istrorumänischen erhalten,
die zweite ist höchst wahrscheinlich durch den slawischen‚ (Prestige-)Einfluss
zu erklären. Mit anderen Worten, man hat die synthetische Form der
gemeinsamen romanischen Entwicklung zu verdanken, während die analytische
dem slawischen Modell folgt. Eine Zeit lang, bevor die analytische Form
von der Norm adaptiert wurde, haben beide Varianten nebeneinander funktioniert.
3.4.2. Ähnlich ist die Lage im Fall des Plus-quam-Perfekts: im XVI.
Jh. gab es mehrere analytische Varianten (cf. Dimitrescu et alii 1978,
312-313), die in den historischen Dialekten erhalten geblieben sind. Das
moderne Rumänisch hingegen kennt nur die synthetische Form, die aber
nicht durch ein slawisches Modell erklärt werden kann.
4.0. Versucht
man nun abschließend den Grund der wenigen hier angeführten
transversalen Übereinstimmungen und Verbindungen des Rumänischen
mit den anderen romanischen Idiomen zu erklären, kommt man zu folgenden
Schlussfolgerungen.
4.1. Das
konservative Erhalten lateinischer (2.2.6.1. s. impurum), spätlateinischer
(2.3.2. die Endung -ora; 2.2.7.1.2 die negativen Imperativformen mit dem
Infinitiv) oder frühromanischer Merkmale (2.3.1. das Fehlen des Artikels
im Präpositionalsyntagmen) muss als einer der Gründe der transversalen Ähnlichkeiten,
angesehen werden. In mehreren Fällen bildet das Rumänische eine
diatopische Gruppe mit dem Italienischen und teilweise mit dem Rätoromanischen.
4.2. Ein
wichtiger Faktor scheint die Wahl ein und derselben spätlateinischen
Varietät der sich allmählich herausbildenden romanischen Sprachen
zu sein. Das betrifft einerseits das Altfranzösische, teilweise das
Bündnerromanische und das Rumänische, die sich durch ein binäres
Demonstrativsystem (2.2.5.) und die Grammatikalisierung des Dativus adnominalis
(2.2.7.1.1.) charakterisieren, andererseits das Dolomitenladinische, einige
norditalienische Dialekte so wie auch das Rumänische, Idiome die das
Erweiterungssuffix –izo (2.3.5.) in der I. Konjugation aufweisen.
Es zeichnet sich somit zu Beginn der Entwicklung der romanischen Sprachen
eine ‚kontinentale Nordzone’ von den Pyrenäen bis Dakien
(Galloromania, Bündnerromanisch, teilweise oberitalienische Dialekte,
die dolomitenladinische und friaulische Zone, Dakien ) ab, die sich von
einer südlichen Zone (Iberien, Sardinien, Mittel- und Süditalien)
unterscheidet.
4.3. Ein
Teil der Ähnlichkeiten lässt sich durch parallele Entwicklungen
romanischer Strukturen erklären. Dies ist insbesondere der Fall bei
den angeführten Ähnlichkeiten des Rumänischen mit den iberischen
Sprachen (2.2.1.1. s. die Entwicklung der phonologischen Opposition [a]~[a]
im Portugiesischen).
4.4.
Dazu kommen noch Beispiele von kognitiven, sehr allgemeinen Gründen,
die eine Ähnlichkeit bewirken können, (wie z.B. 2.2.4.2. das
Futur mit einem modalen Hilfszeitwort)
4.5. Weniger
wichtig scheinen mir Übereinstimmungen, die, ausgehend
von spätlateinischen Gegebenheiten, dasselbe lexikalische Material
benützen, um gewisse Funktionen auszudrücken. In diesem Fall
scheint die ‚unsichtbaren Hand’ der ausschlaggebende Faktor
gewesen zu sein (2.2.3. Komparativ mit MAGIS).
4.6. Ein
Fragezeichen steht im Fall von gleichen phonetischen Entwicklungen von
Idiomen, die geographisch weit entlegen sind, wie z. B. die labiale
Entwicklung der Konsonanten mit labiovelarem Appendix im Rumänischen
und Sardischen (2.2.5.1) oder die Neutralisierung und Erhaltung von distinktiven
Oppositionen, wie im Fall der Erhaltung der Dativformen des Personalpronomens.
Es handelt sich wahrscheinlich um gewisse Tendenzen, die wie im ersten
Fall zur Labialität führen oder wie im zweiten Fall der Vermeidung
von Polysemien dienen, was wiederum die Erhaltung von formalen lateinischen
Oppositionen fördert. Weitere Forschungen sind in diesen Fällen
notwendig.
2.2.7.1.Rumänisch und Altfranzösisch
2.2.7.1.1. Das Altfranzösische steht dem Rumänischen besonders
nahe, wenn man die Entwicklung der Deklination, insbesondere die Herausarbeitung
des possessiven Genitivattributs berücksichtigt, die in beiden Idiomen
vom lateinischen dativus adnominalis (filius regi) ausgegangen ist. Der
dativus adnominalis ist durch die verschiedenen Veränderungen des
klassischen lateinischen Deklinationssystems sowie durch kognitive Gründe
- die semantische Nähe der Begriffe Attribution (Zuordnung) ’jemandem
etwas geben’ und Besitz ‚jemandem gehören’ - zu
erklären. Die altfranzösischen Formen filz le roi, li filz le
roi, li filz au roi und die rumänischen fiu regelui, fiul regelui,
fiu al regelui, gehören ohne Zweifel derselben Entwicklung an. (Für
eine ausführliche Beschreibung dieser Entwicklung cf. Iliescu 2006
im Druck).
2.2.7.1.2.
Die Tatsache, dass das Altfranzösische und das Altprovenzalische
dieselben Imperativformen wie die Sprachen unter 2.3.7.3. aufweisen, untermauert
Lausbergs Annahme, dass es sich um spätlateinische oder frühromanische
Formen oder besser gesagt Varietäten handelt.
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