Prof. Dr.Dr. h.c. mult. Maria Iliescu

FEIERLICHE AUSZEICHNUNG für wissenschaftliche und kulturelle Verdienste

in der Botschaft von Rumänien,
am 4. November 2009, um 18:30 Uhr

GRUßWORTE:

S.E. Dr. Lazar Comanescu, der Botschafter von Rumänien in der Bundesrepublik Deutschland

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Iliescu,
Sehr geehrte Frau Dr. Scherf,
Sehr geehrte Frau Dr. Huberty,
Sehr geehrte Vertreter der Humboldt-Universität, der Deutsch Rumänischen Gesellschaft und des Deutsch- Rumänischen Forums,

Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Veranstaltung.
Wir haben uns hier aus einem freudigen und feierlichen Anlass zusammengefunden.
Frau Prof. Dr. Maria Iliescu erhält am heutigen Tage eine Auszeichnung, die der Präsident von Rumänien an besondere Persönlichkeiten für ihre herausragenden Leistungen verleiht.
Zunächst möchte ich Sie, meine Damen und Herren, mit einigen Aspekte der Vita unseres Ehrengastes vertraut machen.
Frau Professor Iliescu ist derzeit Professorin am Institut für Romanistik der Leopold-Franzens Universität Innsbruck – und seit 2007 Präsidentin der Societe Internationale de Linguistique et Filologie Romane- es ist dies die höchstmöglichste Position, die man in der Erforschung der Romanischen Sprachen , zu denen auch die rumänische Sprache gehört, erreichen kann.
Frau Prof. Dr. Iliescu hat ihr ganzes Leben der Wissenschaft und Forschung gewidmet und einen bedeutenden Beitrag zur Erforschung der rumänische Sprache und zur Entwicklung der rumänischen Linguistik geleistet.
Sie ist Sprachforscherin von hohem internationalen Ansehen.
Frau Prof. Iliescu wird heute Abend einen Vortrag halten. Das Thema ist sprachlicher Natur und lautet: „ Rumänisch - eine romanische Sprache.“
Dazu möchte ich anmerken: Rumänien ist bekanntermaßen Mitglied der EU- und bringt seine große und reichhaltige Kultur- in unsere Gemeinschaft ein.
Und trägt, wie wir hoffen, zu einer weiteren kulturellen Bereicherung unserer Staatgemeinschaft bei.
Wir sind sehr stolz, Sie, Frau Prof. Iliescu, hier , heute, bei uns zu sehen- und erwarten ihren Vortrag voller Spannung.
Ich möchte nun bei den beiden Künstlern, Frau Condriuc und Herrn Schmidt bedanken , die die musikalische Umrahmung für uns gestalten.
Zum Abschluss des Abends lade ich Sie herzlich zu einem Sektempfang ein.
Darf ich Sie nun Frau Prof. Iliescu, zur Überreichung des Ordens nach vorne bitten?

EINFÜHRUNG:

Dr. Ioana Scherf unterrichtet Rumänisch an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Leiterin der Rumänischen Schule Berlin - Brandenburg

Sehr verehrter Herr Botschafter Comanescu,
sehr verehrte Frau Professor Maria Iliescu,
liebe Kollegen, liebe Studenten, liebe Künstler,
sehr verehrte Gäste,
liebe Freunde der Rumänischen Schule Berlin-Brandenburg!

Wieso habe ich das Privileg heute vor Ihnen zu sprechen? Spreche ich, als Leiterin der R.S.BB oder spreche ich (und das ist wieder ein Privileg) als Lektorin für Rumänisch am Institut für Romanistik der Humboldt Univ. zu Berlin?
Nein sehr geehrte Damen und Herren keiner dieser Gründe trifft zu.
Ich glaube, ich stehe heute vor Ihnen als einer von vielen Menschen, mit Wurzeln in Rumänien und Flügeln (lese auch Kopf) In Deutschland, d.h. als einfacher und dankbarer Mensch.
Ich habe sehr oft gesagt: unser Leben ist ein großer Bahnhof; Menschen kommen und gehen. Ein Treffpunkt eben! Schicksale kreuzen sich, berühren sich oder sie bleiben parallel.
An einige Menschen erinnern wir uns überhaupt nicht mehr! Wir gehen gleichgültig aneinander vorbei, nicht mal an ihre Namen erinnern wir uns oder daran wie sie aussehen.
Andere Menschen wiederum lassen tiefe Spuren in unserer Seele, in unseren Herzen und in unserem Geist.
Aber wie zahlreich sind diese? Wir können Sie an den Fingern einer Hand abzählen: 2, 3, 5, wie ist es bei Ihnen?
Aber ich bin mir sicher und es gibt keinen Zweifel, ich bin ein glücklicher Mensch. Ja, auf meinem Lebensweg habe ich wunderbare Menschen getroffen. Ich schulde Ihnen, was ich heute bin. Was wäre ich ohne Sie geworden?
Einer dieser Menschen, die mein Leben zutiefst geprägt haben, ist zweifelsohne Frau Prof. Dr. Maria Iliescu.
Natürlich kannte ich die Bücher von Frau Professor Iliescu. Persönlich habe ich sie aber erst in Innsbruck, im Jahre 1992 kennengelernt. Ich hatte ein dreimonatiges Stipendium von der Universität Salzburg bekommen. Viele Sachen waren neu für mich. Z.B. man bewirbt sich, man hat keine Beziehungen, und man wird, ganz einfach so, trotzdem genommen.
Sie hat mir viel Vertrauen entgegengebracht und das hat mein Selbstbewusstsein gestärkt. Sie fragte mich: bleibst du den ganzen Tag in der Bibliothek? Schön! Hast du aber die Stadt schon besucht? Da machte ich plötzlich die Augen auf….. Nein ich hatte keine Augen für das Leben.
Ich habe diese Begegnung als Ansporn betrachtet und als Aufruf zum Handeln….
Ich liebte und ich bewunderte gleich Ihre unkomplizierte und direkte Art, den Mut jederzeit das zu sagen, was man denkt. Wären wir nicht ohne solche Vorbilder ärmer? Wir brauchen Wertevermittler und Richtungsweiser in unserem Leben. Was können sonst unsere Kinder von uns lernen?
Deswegen bin ich glücklich. Und glücklich bin ich heute auch, dass ein herrliches Publikum vor mir steht. Ihr Interesse an dieser Veranstaltung, sehr geehrte Damen und Herren, ist der schönste Beweis, dass Rumänien es Wert ist, geliebt und geschätzt zu werden.
Wir vermitteln die rumänische Kultur und die rumänischen Werte hier in Deutschland. Das macht jeder von uns in jedem Augenblick, wenn wir untereinander und miteinander kommunizieren, stellen wir uns nicht nur selbst dar, sondern wir vermitteln gleichzeitig die rumänische Kultur und die Werte unseres Volkes.
Mein Einsatz für die rumänische Sprache kommt aus folgender Überzeugung:
Es lohnt sich dieses schöne Land zu erleben (mit allen Sinnen), es lohnt sich seinen Menschen zu begegnen, seiner Kultur, seine Naturschönheiten zu ergründen, es lohnt sich diese Sprache zu lernen.
Ich bin dankbar, dass sie hinter mir gestanden haben und ich fühle mich geehrt unsere bescheidene Arbeit – die Vermittlung der rumänischen Sprache hier in Berlin - fortsetzen zu dürfen.

LAUDATIO:

Dr. Maren Huberty, lehrt seit 1983 französische, rumänische und italienische Sprachwissenschaft am Institut für Romanistik der Humboldt Universität zu Berlin.

Laudatio

Es ist mir eine besondere Ehre, Ihnen hier eine der ganz großen Persönlichkeiten der Romanistik vorstellen zu dürfen, und zwar eine der Grandes Dames der allgemeinen und romanischen Sprachwissenschaft: Frau Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Maria Iliescu. Wenn man im digitalen Zeitalter den Begriff Grande Dame googelt, dann lehrt uns wikipedia, dass so „im kulturellen Leben der Gesellschaft eine ältere Künstlerin genannt wird, die vermöge ihrer Lebensleistung, ihres Erfahrungsschatzes und ihrer inspirierenden Dynamik eine eigene Institution und ein unverwechselbarer Charakter geworden ist. Die Grande Dame hat es auf einem bestimmten, abgrenzbaren Gebiet zu erheblicher Prominenz gebracht und Generationen geprägt.“ Künstlerinnen dieses Formats gibt es sicherlich nicht wenige, aber in der nach wie vor männlich dominierten Wissenschaftslandschaft sind Frauen noch eher eine Ausnahmeerscheinung. Und eben eine solche ist Maria Iliescu, die im vergangenen Jahr als erste Frau zur Präsidentin der renommierten Société Internationale de Linguistique et Philologie Romane gewählt wurde. Das ist die internationale Vereinigung innerhalb der romanistischen Linguistik, die die wichtigste romanistische Zeitschrift herausgibt und im Dreijahresrhythmus den Weltkongress veranstaltet. Den letzten Weltkongress hatte Maria Iliescu vor zwei Jahren, damals noch Vizepräsidentin, nach Innsbruck geholt und mit organisiert. Sie ist also prominent.
Als „eine Ausnahmeerscheinung in unserer im allgemeinen ziemlich nivellierten west- und mitteleuropäischen Wissenschaftslandschaft“ wird sie auch von Johannes Kramer in seinem Beitrag „Maria Iliescu – Porträt einer Romanistin“ (in: Kramer/Plangg [Hg.], Verbum romanicum: Festschrift für Maria Iliescu, Hamburg 1993, S. 11-18) beschrieben: „Sie ist für mehrere Gebiete die ausgewiesene Kennerin, aber eine Spezialistin im schlechten Sinne des Wortes ist sie nicht, denn sie versucht im Gegensatz zur tonangebenden Tendenz, die ganze Romania in den Blick zu nehmen und darüber hinaus das nicht zu vernachlässigen, was man aus anderen Fächern lernen kann.“ (S. 17). Das spiegelt sich wider in den über 400 Publikationen zu den romanischen Sprachen Mittel-, Süd- und Osteuropas: Französisch, Italienisch, Ladinisch, Friaulisch und Rumänisch. Die Publikationen beeindrucken sowohl durch die Vielseitigkeit der behandelten Themen als auch durch ihre Methodenpluralität. Viele ihrer Arbeiten gehören mittlerweile zum Kernkanon der romanischen Sprachwissenschaften, was nicht zuletzt auch deren Aufnahme in verschiedene Enzyklopädien beweist. „Was die Veröffentlichungen anbelangt“, so schreibt Maria Iliescu in ihrem autobiographischen Aufsatz „Labor omnia uincit improbus“ (in: Gauger/Pöckl [Hg.], Wege in die Sprachwissenschaft, Tübingen 1991, S. 118-123) und das sollte unbedingt hervorgehoben werden, „so glaube ich ebenfalls von Prinzipien meines einstigen Lehrers Alexandru Graur, wenigstens teilweise geprägt zu sein. So habe ich es nie über mich gebracht, denselben Aufsatz, wenn auch in einer anderen Sprache, nochmals zu publizieren.“ (S. 122) Sie fügt allerdings in Klammern hinzu, dass dieses Prinzip heute vielleicht nicht mehr richtig sei, denn niemand könne es sich zeitlich leisten, sich ausgefallene Zeitschriften zu verschaffen oder Texte in schwer verständlichen Sprachen zu lesen. Daher ist es erfreulich, dass in den letzten zwei Jahren drei Sammelbände mit ihren Aufsätzen erschienen sind, denn wie Johannes Kramer in seinem Vorwort zur Aufsatzsammlung Pan- und Raetoromanica. Von Lissabon bis Bukarest, von Disentis bis Udine (Stuttgart 2007) schreibt, sollen auf diese Weise die teilweise „verstreut publizierten und in kaum einem Seminar für Romanistik komplett vorhandenen Beiträge Maria Iliescus zugänglich [gemacht werden].“ Der von der Academia Româna herausgegebene Band Româna din perspectiva romanica (2007) vereint wiederum viele ihrer in ausländischen Zeitschriften und in Rumänien nicht vorhandenen publizierten Beiträge zum Rumänischen. Zu den wichtigsten Monographien zählen Le frioulan à partir des dialectes parlés en Roumanie (1972), ihre im Verlag Mouton, Den Haag/Paris veröffentlichte Dissertation, wofür sie den Preis der Rumänischen Akademie der Wissenschaften erhielt, La typologie de la morphologie verbale romane (1991 gemeinsam mit Louis Mouron) Du latin aux langues romanes (1991 gemeinsam mit Dan Slusanski).
Für ihr Lebenswerk wurde sie 2005 mit dem „Tiroler Landespreis für Wissenschaft“ ausgezeichnet. Sie hat die Ehrendoktorwürde der Universitäten Bukarest, Timisoara und Innsbruck und ist Ehrenmitglied des Instituts für Linguistik der Rumänischen Akademie der Wissenschaften. Erst kürzlich wurde ihr die Ehrenmedaille der Universität Gent verliehen.
Aber die Lebensleistung bemisst sich nicht nur an der Quantität und der Qualität der Publikationen, nicht nur an der Zahl der Ehrungen, sondern eben auch am Engagement der Vermittlung dieses Erfahrungsschatzes, und zwar auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens. Nicht zuletzt das macht die Institution Maria Iliescu aus. Sie ist zum einen eine streitbare, unbequeme und durchsetzungsfähige Wissenschaftlerin, zum anderen aber zugleich eine dem Einzelnen in allen universitären und außeruniversitären Belangen zugewandte, immer freundliche, pragmatische und hilfsbereite Persönlichkeit.
Meine erste Bekanntschaft mit dem Namen Maria Iliescu geht auf dieses kleine Wörterbuch Rumänisch-Deutsch / Deutsch-Rumänisch (Leipzig 1972) zurück. Das ist jetzt genau 30 Jahre her. Die DDR schickte in jener Zeit, aus Mangel an Studienplätzen, viele junge Leute in die damals sogenannten sozialistischen Bruderländer und ich bekam einen Studienplatz für Rumänistik und Französistik an der Universität Timisoara zugeteilt. Ich lernte also noch in der Abiturklasse Rumänisch und die erste Anschaffung war natürlich ein Wörterbuch. Während des Studiums und noch lange danach stand für mich der Name Iliescu für eine wissenschaftliche Autorität, die unerreichbar schien. Als wir uns dann nach vielen Jahren persönlich begegneten, vermittelte sie mir das Gefühl, uns schon ewig zu kennen.
Erklärlich ist diese gelungene Symbiose von Professionalität und Menschlichkeit vermutlich vor dem Hintergrund einer doppelten Prägung durch ungewöhnliche Lebensumstände und durch herausragende Persönlichkeiten. Hinzu kommt ein unbändiger Arbeitswillen. Nicht ohne Grund betitelt sie ihren autobiographischen Aufsatz mit „labor omnia uincit improbus“ (Unverdrossenes Arbeiten überwindet alles).
Als Harriett Marion Adlersberg wurde sie in Wien in einem großbürgerlichen, österreichischen Elternhaus geboren. Zwölfjährig zog sie mit ihrer Familie Ende der 30er Jahre nach Rumänien, wo sie in Bukarest ein französisches Nonneninternat besuchte. Von 1946-1950 studierte sie Klassische Philologie, Indogermanistik und allgemeine Sprachwissenschaft sowie auch moderne Fremdsprachen und mittelalterliche Geschichte. Geprägt wird sie in diesen Jahren vor allem durch ihren Lehrer Prof. Alexandru Graur.
An der Universität lernte sie auch ihren zukünftigen Mann Vladimir Iliescu kennen, der ihr, die ursprünglich ein Noviziat anstrebte, nicht nur „klar zu machen versuchte“, so schreibt sie, „dass es in einem sozialistischen Rumänien keinen Platz für religiöse Einrichtungen, insbesondere katholische geben werde, sondern auch, dass einem katholischen, aus großbürgerlichem Haus stammenden Mädchen, das noch dazu im Ausland geboren war, in diesem Land nichts Gutes blühe würde. Deshalb sollte ich schleunigst das Land verlassen, wofür sich damals eine gute Möglichkeit anbot. Vom Verlassen des Landes wollte ich aber nichts wissen! (le coeur a ses raisons que la raison ne connaît pas!) Ich blieb in Bukarest.“ (Gauger/Pöckl 1991, S. 118) Und das tat sie mit allen Konsequenzen.
Trotz dieser noch jungen, aber illustren Vergangenheit stellt Graur sie nach dem Staatsexamen als Assistentin ein. Allerdings wurde er 1952 von der Universität verbannt, ein Teil seiner 30 Mitarbeiter, darunter die Iliescus, „entlassen und als Volksschullehrer in gottverlassene Dörfer geschickt“. (Gauger/Pöckl 1991, S. 119) Eine neue Chance erhielt Maria Iliescu mit der Gründung der „Akademie der Wissenschaften“, an der sie bis 1972 eine leitende Mitarbeiterstelle am Institut für Linguistik innehatte. Dort war sie an der Erarbeitung der ersten großen Grammatik der rumänischen Sprache beteiligt und erhielt für deren Syntax-Teil 1955 den Staatspreis 2. Klasse. Und sie war gleichzeitig für den Aufbau einer Abteilung für zweisprachige Wörterbücher verantwortlich. Unter ihrer Leitung entstand dort z. B. das große Wörterbuch Deutsch-Rumänisch, deren dritte überarbeitete Auflage 2007 erschien. 1958 übernahm dann Prof. Iorgu Iordan (der 1952 ebenfalls zu den „personae non gratae“ gehört hatte) die Leitung des „Institutul de lingvistica“ und „eine seiner fruchtbarsten Ideen“, so Kramer, „war die Erstellung einer umfangreichen, sprachwissenschaftlich kommentierten Sammlung von Texten aus allen romanischen Sprachen vom Vulgärlateinischen bis zur Gegenwart, [die 3-bändige Crestomatie romanica], ... die bis heute umfangreichste und beste Sammlung dieser Art“. (Kramer/Plangg 1993, S. 13)
Maria Iliescu wurde als klassische Philologin mit der Bearbeitung des Abschnittes über das Vulgärlateinische und als deutsche Muttersprachlerin mit der Erstellung der Textauswahl zur „limba retoromana“ betraut. Die Erforschung der Sprachformen der über Rumänien verstreuten Friulaner führte zur Erarbeitung ihrer bereits erwähnten Dissertation. Allerdings nicht ohne Hindernisse. Mehrmals wurden ihre Anträge auf eine Promotion aus politischen Gründen abgelehnt, so dass sie erst 1967 das endlich genehmigte Promotionsverfahren abschließen konnte.
Nach politischem Tauziehen und einer vorübergehenden Öffnung des Landes erhielt Maria Iliescu 1972 eine ordentliche Professur für Romanische und Allgemeine Sprachwissenschaft an der neuen Universität von Craiova, wo sie mit unglaublichem Pioniergeist die Sprachwissenschaft aufbaute. Hier entstanden ihre Lehrwerke: Latina vulgara. Introducere în studiul limbilor romanice I (1980), Limbile romanice. Introducere in studiul limbilor romanice II (1981), Vocabularul minimal al limbii române curente (Bucuresti 1981).
Doch die ersten Ansätze einer erhofften Liberalisierung unter Ceausescu fielen einer erneuten, mit aller Macht einsetzenden innenpolitischen Eiszeit zum Opfer. Ihre moralische und politische Kompromisslosigkeit ließ jedoch keine Zusammenarbeit mit der securitate zu, „nu am nici un merit“, „ich hätte damit nicht leben können“ wird sie, von Freunden darauf angesprochen, später sagen, und die Konsequenz sind zunehmende Repressalien und allmähliche Ausgrenzung, vor allem ihres Mannes, aus dem beruflichen Leben. Schließlich wird die 1981 beantragte Ausreise nach zweijährigem Martyrium genehmigt und wieder gab es einen Neuanfang. „Die Wunden zu lecken ist jedoch Maria Iliescus Sache nicht“, schreibt Kramer, „Zufällig fiel das Datum der Ausreise mit dem Beginn des Romanistentages in Aix-en-Provence zusammen und so fuhr sie gleich weiter nach Südfrankreich, um die ersten Tage der neuen Freiheit der geliebten Wissenschaft und dem lange vermissten Kontakt zu den Kollegen zu widmen, von denen sie viele ja nur brieflich kannte.“ (Kramer/Plangg 1993, S. 16)
Seit 1983 lehrt und forscht Maria Iliescu in Innsbruck, zunächst als Gastprofessorin, dann als Vertragsprofessorin und seit 1994 als Honorarprofessorin. Parallel dazu ist sie von 1988-1997 „Professore associato di Lingua e Letteratura Romena“ an der Universität von Trient und seit 1990 „Profesor consultant“ an der Philologischen Fakultät der Universität Craiova. In der Geschichte des Instituts für Romanistik der Universität Innsbruck heißt es: „Durch die Anwesenheit von Prof. Iliescu entspannte sich die Situation in der sprachwissenschaftlichen Lehre wesentlich, denn nun waren die Studienrichtungen Französisch und Italienisch in gleicher Weise abgedeckt.“ (www.uibk.ac.at/romanistik/) Sie organisiert Tagungen und Kolloquien und initiiert für die Innsbrucker das europäische Austauschprogramm ERASMUS.
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war ihr immer ein wichtiges Anliegen. So wie sie von ihrem Lehrer Alexandru Graur schwärmt: „Seine Vorlesungen, die er immer frei vortrug, waren so klar, dass wir das Gefühl hatten, die Materie sogleich zu beherrschen“ (Gauger/Pöckl 1991, S. 119), genauso ist Maria Iliescu ihren Studenten in Erinnerung: die Begeisterung für die Sprachwissenschaft sprang immer über. Und das nicht nur in den Vorlesungen und Seminaren, auch im Institutscafé in Innsbruck sorgte sie mit kleinen Geschichten und Anekdoten, nicht nur zur Sprachwissenschaft, für Unterhaltung. Und wenn aus dem kleinen Kämmerlein der rätoromanischen Bibliothek mal ein Jauchzen herüberschallte, dann spielte sie mit ihrer langjährigen Kollegin und Freundin, der 2008 verunglückten Lotte Zörner, über zusammen geschobene Bibliothekstische hinweg eine Runde Tischtennis, solange, bis die Bälle hinter den Büchern verschwanden. Ja, auch das ist die Institution Maria Iliescu.
Um nochmals auf das Wörterbuch zurückzukommen, so haben Sie selbst, liebe Frau Iliescu, am Ende Ihrer Rezension zum Wörterbuch von Tiktin, das unter Leitung von Paul Miron neu herausgegeben wurde, geschrieben: „l’élaboration d’un grand dictionnaire roumain-allemand moderne reste encore un souhait dont la réalisation ne sera possible que par un travail d’équipe comme celle de Paul Miron et grâce à une subvention généreuse, qui, espérons-le, ne se fera pas attendre trop longtemps.“ (Revue de Linguistique Romane 54 (1990, S. 560) Das war vor 20 Jahren und wir warten immer noch. Da Romanisten in der Regel mit einem biblischen Alter gesegnet sind - Menéndez Pidal ist fast 100 Jahre alt geworden und Ihr verehrter Förderer Iorgu Iordan 98 - können wir vielleicht auf Ihre Unterstützung für ein solches Projekt hoffen.

Maren Huberty

 

VORTRAG

Prof. Dr.Dr. h.c. mult. Maria Iliescu, Präsidentin der Société de Linguistique Romane

Vortrag zum Thema

„Rumänisch : Eine romanische Sprache“


1.0. Obwohl das Rumänische eine der wenigen romanischen Sprachen ist, die den Namen ihrer Abstammung erhalten hat, wurde seine Romanität sehr spät erkannt. Der Grund ist die Lage Rumäniens auf der europäischen Landkarte.

Dies zog drei Folgen mit sich :

erstens den Verlust des Kontaktes mit anderen romanischen Sprachen während desMittelalters
zweitens den Verlust des Kontaktes mit dem Latein in seinen verschiedenen nochvorhandenen Varianten,
drittens den Kontakt mit den Nachbarsprachen, die alle nicht romanisch sind.

Dem Westen war das Rumänische unbekannt. Trotz alledem, haben fremde Reisende und Rumänische Gelehrte ab dem XVI. Jh. erkannt, dass es sich um einen Ableger des Lateinischen handelt.

Schon zu Beginn des XV. Jh. stellt Bischof Johann von Sultanyech, ein unermüdlicher Kämpfer gegen die Ottomanen fest, indem er sich auf die Bewohner der Walachei und der Moldau bezieht:

ipsi habent linguam propriam et quasi latinam, ut fertur , ipsi exiverunt de Romanis.

„ Bei den näheren Sarmaten, gibt es, wie man sagt, eine von Trajan zurückgelassene Kolonie. Diese, obwohl von einer großen Barbarei umgeben, hat noch zahlreiche lateinische Wörter aus Italien bewahrt, woher diese Wörter stammen. Sie verwenden die Wörter für Auge, Finger, Hand, Brot und für viele andere Begriffe, aus denen ersichtlich wird dass sie von Lateinern stammen, die als Kolonisten zurückgelassen wurden“.

Die Latinität des Rumänischen wurde nicht nur von Sprechern einer romanischen Sprache, wie es z. Beispiel die italienischen Humanisten waren, erkannt, sondern auch von nicht Romanen, die das Lateinische kannten. Der schwedische Romanist Alf Lombard hat die interessante Reisebeschreibung eines schwedischen Diplomaten veröffentlicht, der um die Mitte des XVII. Jh., durch Siebenbürgen und die Walachei reiste und dem die rumänische Sprache „ein Latein mit etwas verdorbenen Akzent „ schien. (Les terres roumaines vues par un voyageur suédois en 1657, in ‘Revue desé tudes sud-est européennes XII 1974) :

« Man gelangte sogleich zu den ersten Dörfer der Walachen, und zwar nach Rucar, dann gegen 15.30 nach Dragoslavele. Die Rumänen (Walachen) dieses Dorfes genau wie diejenigen des vorherigen Dorfes, das wir im Begriff waren zu durchqueren waren sehr erstaunt über das Erschienen der Schwede; sie hatten so etwas noch nicht gesehen. Sie haben festgestellt, dass diese Schweden junge Leute von hohem Wuchs waren. Aber alle Bewohner dieser zwei Dörfer sprachen Lateinisch, sowohl die Männer wie die Frauen. Doch war ihre Aussprache ein wenig korrompiert. Es waren die Nachkommen von alten und echten römischen Kolonien. Alle waren derart glücklich, dass man es nicht beschreiben kann. Sie haben uns gesagt, dass sie noch niemals das Glück hatten jemanden der sich in ihrer Muttersprache ausdrückte. Wir waren nicht weniger erstaunt Lateinisch zu hören, und das gesprochen als Muttersprache dieser Leute. Wir hatten den Eindruck uns in der Mitte der alten Römer zu befinden. Sie umgaben uns mit ihren Frauen und mit ihren Kindern und sie wünschten uns Erfolg und Wohlstand.»

Den Beweis für das sprachliche Bewusstsein der Zugehörigkeit des Rumänischen zur Gruppe der romanischen Sprachen erbringt Andreas Müller, ein Philologe des XVII Jh. der zu den verschiedenen Fassungen des Vaterunsers auch die rumänische, unter dem Titel valachia versio. hinzufügt.

Im XIX. Jh, in der ersten romanischen Grammatik von F. Diez,. steht das R. bereits neben ihren anderen rom. Schwestern.
Steht nun die Latinität des Rumänischen unbestritten fest, so ist der Platz, den es im Rahmen der Romania, den anderen Sprachen gegenüber einnimmt nicht völlig geklärt. Allgemein anerkannt wird heute die besondere Individualität der rumänischen Sprache. Bartoli, ein großer italienischer Linguist, hatte schon am Anfang des XX. Jh. über die spiccata individualità della lingua romena geschrieben. Gleichzeitig ist, seiner Meinung nach, das Rumänische „die dem Lateinischen am meisten und zugleich am wenigsten treue aller romanischen Sprachen.

Doch jede romanische Sprache hat ihre eigene Individualität und Originalität, und die schon im XIX. Jh. unternommenen Klassifizierungsversuche haben gezeigt, dass diese von der Zeitspanne auf die sie sich beziehen und von den Kriterien auf welche sie sich stützen abhängen. Außerdem hat es sich herausgestellt, dass die Beziehungen der romanischen Sprachen untereinander von einem Bereich der Sprache zum anderen verschieden ist. Hier nur zwei Beispiele:

Vom Standpunkt der Phonologie ist das Spanische dem R. am nächsten (B. Müller); ausgehend von der Morphologie ist (nach Manczak) das Italienische die Sprache die dem Rumänischen am ähnlichsten ist. Gesehen vom Standpunkt der Bereicherung des
Wortschatzes durch Lehngut, ist es weitaus die Sprache die die meisten Neologismen aus dem Französischen entlehnt hat.

Auf Grund dieser und vieler anderen Vergleiche, die im Laufe der Zeit gemacht worden sind, können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden:

a) Das Rumänische ist reicher an Neuerungen- und konservativen Merkmalen als die anderen romanischen Sprachen (wie es schon Bartoli feststellte).
b) Die rumänische Sprache ist mit allen anderen romanischen Sprachen verbunden und zwar nicht nur durch allgemeinromanische Strukturen, sondern auch durch eine Reihe von Merkmalen, die es nur mit einer oder zwei dieser Sprachen teilt.

Gestatten Sie dass ich an Hand von wenigen Beispielen den zweiten Punkt der oben Angeführten Schlussfolgerungen beleuchte.
Beginnen möchte ich mit Merkmalen, die das Rumänische. nur mit einem oder mit mehreren romanischen Idiomen teilt (2.1.), um dann auf Wesenszüge einzugehen, die fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet wurden (2.2.) um abschließend über
Charakteristika zu sprechen, die man zu Unrecht einem externen Einfluss zugeschrieben hat (2.3).

2.0. Merkmale die das Rumänische nur mit einem oder mit einigen anderen romanischen Idiomen teilt.

2.1. Portugiesisch, Spanisch, Katalanisch, Okzitanisch

Auf die Steigerung der Adjektive mit Hilfe von MAGIS (> port. mais, sp.mas, kat., okz. mes,
rom. mai) und nicht mit PLUS wie das Französische, das Rätoromanische, das Italienische und
das Sardische (rum. o carte mai buna ~ sp. un libro mas bueno) hat schon Bartoli als
auffallende Verbindung zwischen den ‚Seitenarealen’, mit anderen Worten zwischen dem
Rumänischen und den iberischen Sprachen, hingewiesen.

2.2. Französisch, Okzitanisch und Rätoromanisch

Nur das Französische, das Okzitanische und die rätoromanischen Dialekte besitzen wie das Rumänische ein vereinfachtes binäres System der Demonstrativa nach dem Kriterium Nähe und Entfernung: rum. acest ~ acel; surs. quest ~ quel, okz. aquest ~aquel, frz. ce-ci ~ ce-là. In den anderen romanischen Sprachen sind die Demonstrativa in ein älteres lateinisches Dreier- System eingeteilt (cf. sp. este, ese, aquel, sard. custu, cussu, cuddu) oder es existieren noch Reste des Dreiersystems wie im Italienischen: questo – codesto – quello, wobei im zeitgenössischen Italienisch codesto fast nicht mehr benützt wird.

2.3. Italienisch, Dolomitenladinisch, Friaulisch und Dialekte der Italia Settentrionale

Die maskuline Pluralendung –i des Rumänischen und des Italienischen . wird als eines der Hauptmerkmale der Ostromania gesehen. In restriktiver Distribution ist –i als maskuline Pluralendung teilweise auch im Dolomitenladinischen und im Friaulischen gegeben (rum. vitel ~ vitei; it. vitello ~ vitelli, friaul. vidiel ~ vidiei).

3.0. Merkmale, die fälschlich nur dem Rumänischen zugeordnet wurden

Sie wurden entweder durch fremden Einfluss erklärt oder als charakteristisch nur für das Rumänische angesehen.

3.1. Die Palatalisierung der Konsonanten durch ein Auslautendes nicht sylbisches –i, so wie

beim Plural der maskulinen konsonantischen Stämme: un urs ~ doi ur?i, un vi?el ~doi vi?ei. Dieses Merkmal wurde meistens dem slawischen Einfluss zugeordnet, doch diese Form des rumänischen Plurals findet sich teilweise sowohl im Friaulischen und im
Dolomitenladinischen wieder.

3.2. Das Fehlen des bestimmten Artikels in den Präpositionalsyntagmen (mit Ausnahme der durch die Präp. cu (und de-a) eingeleiteten Syntagmen Cartea sta pe masa ‚das Buch auf Tisch’. ~ aber Le livre est sur la table ‚das Buch ist auf dem Tisch, so wie auch im Deutschen‚ Das Buch liegt auf dem Tisch’) Es handelt sich um eine Eigenheit der Anfangsphase aller romanischen Sprachen, denn der Artikel wurde sehr spät in Präpositionalsyntagmen eingeführt. Einige wenige romanische Sprachen wie das Rumänische und auch das Bündnerromanische haben dieses altertümliche Merkmal beibehalten (cf. Iliescu, 2001a, 2001b): rum. a merge la vânatoare = eng. ir a catscha, aber aller à la chasse.

3.3. Italienische südliche und nord-östliche Dialekte, Dolomitenladinisch

Die Stammerweiterung gewisser Verben der A- Konjugation mit Hilfe des Suffixes -ez- <
IDIO < gr. –IZO : a lucra – lucrez ist auch in süd-ost-italienischen Dialekten, im Alt-
venezianischen sowie im Istroromanischen und Dolomitenladinischen zu finden (cf.
Lausberg 1972, II, 201; Rohlfs, 1968, II, § 326; Iliescu-Mourin, 1991, 457): z. B.: rum.
lucr-eaz-a, gard. arpi-ei-a, a.ven. vende-ge-a. Es geht wie auch bei dem Erweiterungssuffix
der IV.Konj. -esc/-isc um die Vermeidung der Unregelmäßigkeiten des Stammvokals, die
durch den Akzentwechsel verursacht werden. Die Erweiterung mit –IDIO war anfangs
wahrscheinlich panromanisch und semantischer Natur. Das Suffix drückte eine
Wiederholung, das Iterativ, aus wie noch heute im Französischen und Spanischen. Mit der
Zeit hat sich dann eine nicht semantische, rein nach Vereinfachung und Regelmäßigkeit
strebende Variante im nord-östlichen Teil der Romania herausgebildet.


3.4. Die Bildung des analytischen Futurs mit Hilfe des Modalverbs a vrea < VOLERE. (cf. infra 2.2.8.3.). Das Sardische benützt ebenfalls ein Modalverb, und. zwar ‚müssen’. Im Altsurselvischen wurde das Futur wie noch heute im Rumänischen mit Hilfe des Verbs VOLO gebildet. (cf. Mourin 1964, 247). Und das Sardische benützt zwar nicht VOLERE, doch ein anderes Modalverb: (DEBERE): deppo cantare. Von Anhängern des Balkanischen Sprachbundes wird die Bildung des Futurs mit dem Hilfszeitwort VOLERE als eines der wichtigen Merkmale der Zugehörigkeit des Rumänischen zu diesem Bund gesehen (cf. Solta,
1998, 1027). Meiner Meinung nach ist die Bildung des Futurs mit einem Modalhilfszeitwort nicht sprachtypologisch, sondern kognitiv zu erklären, da man das Futur nur verwendet, wenn man etwas tun will oder tun muss. (S. dazu die Bildung des englischen Futurs mit will ’wollen’ und shall ‚sollen’).

3.5. Das teilweise Bewahren der synthetischen Nominalflexion wird als ein Charakteristikum des R. betrachtet. Man übersieht dabei die sehr alte Bildung des Genitivs und des Dativs mit Hilfe der Präpositionen AD und DE, die bis heute besonders in der gesprochenen Sprache Gang und Gebe sind : am adus ciocolata la copii. Außerdem wurde und wird noch die Homonymie zwischen Genitiv und Dativ als griechischer Einfluss betrachtet, obwohl die letzten Forschungen gezeigt haben, dass es sich um die gleiche Entwicklung wie im Altfranzösischen handelt.


4.00 Da man viel über den quantitativen Aspekt der lateinischen Elemente gesprochen hat, bis man, noch zu Zeiten von dem Gelehrten Hasdeu, die Erklärung durch das Prinzip der Frequenz, mit anderen Worten, durch den Unterschied zwischen der Wörtern des Kernwortschatzes und die des allgemeinen ganzen Wortschatzes, gefunden hat, möchte ich Ihnen zum Abschluss meines Vortrages ein Gedicht von Eminescu aufsagen.

Aici La steaua

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es im ganzen Gedicht 72 Wörter lateinischen Ursprungs und nur 4 slawische Wörter gibt (a trebui, a zari, drum und icoana). Die letzen zwei (drum und icoana) sind zwar über das Slawische ins Rumänische gelangt, waren aber griechischen Ursprungs schon im Slawischen.

5.00 Gestatten Sie, dass ich meinen aus Zeitgründen kurzen und allgemeineren Vortrag mit einer Schlussfolgerung meines Meisters Alexandru Graur abschließe:« Avant de discuter les détails qui rapprochent le roumain du slave ou de langues
balkaniques,il faut souligner avec force qu’il est, et qu’il reste une langue romane »

Berlin, 4 noembrie 2009.


2.4. Rumänisch eine Kompromisssprache (cf. Iliescu, 2004)
Ich verstehe hier unter ‚Kompromiss’ die gleichzeitige Präsenz von Merkmalen, die zwei verschiedene romanische Sprachen oder Sprachgruppen charakterisieren.
Ich begnüge mich mit drei Beispielen aus Phonetik, Morphologie und Syntax.
3.1. Die meisten romanischen Sprachen haben ein Vokalsystem, das als lateinischen Ausgangspunkt ein Dreieck mit zwei symmetrischen Seiten bildet: eine Seite mit drei palatalen Lauten (ein offenes e, ein geschlossenes ? und ein i) und eine Seite mit velaren Lauten (ein offenes o, ein geschlossenes ? und u). Das Vokalsystem des Sardischen beinhaltet nur fünf Vokale, mit neurtralem Öffnungsgrad: i, e, a, o, u.
Das Rumänische Vokalsystem vereinigt beide oben angeführten Systeme: die palatale Seite des Dreiecks richtet sich, mit 3 Vokalen ([e], [?], und. [i] nach dem ersten System, die velare Seite richtet sich nach dem zweiten System und verfügt hiermit über nur 2 Vokale: [o] und [u]:PORCUS > porc, NEPOTE > nepot, FURCA > furca, LUNA > luna.
Der süditalienischen Dialekt der Basilicata (Südlukanien) verfügt über ein ähnliches Vokalsystem wie das Rumänische.

3.2. Die Sequenz Verschlusslaut + Liquid bleibt in Französischen überall erhalten. Im Italienischen wird der Liquid überall zu [i] palatalisiert: PLINU > fr. plein, it. pieno aber CLAVE > fr. clef, it. chiave; rum. cheie. Das Rumänischen geht teilweise mit dem Französischen, teilweise mit dem Italienischen. Und zwar bleibt der Verschlusslaut der Gruppe PL erhalten wie im Französichen, doch der Verschlusslaut der Gruppe CL wird palatalisiert wie im Italienischen: PLINU > plin, aber CLAVE > cheie.

3.3. Die Stellung der Possessivadjektiven kann vor oder nach dem Substantiv stehen. Im Französichen und im Spanischen steht der Determinant obligatorisch vor dem Substantiv mon livre, mi libro. Im Italiensichen steht das Possessivadjektiv, wenn nicht markiert vor ( il mio libro, markiert aber auch nach dem Substantiv: il libro mio. Auch im Rumänischen ist die doppelte Möglichkeit gegeben: cartea mea/ a mea carte. Hier ist die zweite Form markiert.
Die Bemerkung von P. Ramat, dass das Rumänische. nur die nachgestellte Form kennt, ist zu berichtigen (Ramat 1990 I, 20) und somit auch die typologische Zuordnung des Rumänischen zu den Randsprachen. Wie in anderen Fällen hat das Rumänische beide lateinischen Varianten beibehalten und das wahrscheinlich, weil - im Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen - kein prestigeträchtiges Modell zur Zeit der Herausbildung der neuen Sprache zur Verfügung stand.

3.4. Zieht man nicht nur die varietätenlinguistische, sondern auch die diachronische Perspektive in Betracht, mehren sich die Beispiele des verschiedenartigen Kompromisses.

3.4.1. So sind in den Texten des XVI. Jh.s Beispiele für eine synthetische und eine analytische Entwicklung des Konditionals zu finden: cântare < CANTAVERIM/CANTAVERO und asu cânta
(cf. Rosetti 1986, 506-507). Die erste Form beruht auf dem lateinischen Modell und hat sich weiter im Mazedo- und Istrorumänischen erhalten, die zweite ist höchst wahrscheinlich durch den slawischen‚ (Prestige-)Einfluss zu erklären. Mit anderen Worten, man hat die synthetische Form der gemeinsamen romanischen Entwicklung zu verdanken, während die analytische dem slawischen Modell folgt. Eine Zeit lang, bevor die analytische Form von der Norm adaptiert wurde, haben beide Varianten nebeneinander funktioniert.

3.4.2. Ähnlich ist die Lage im Fall des Plus-quam-Perfekts: im XVI. Jh. gab es mehrere analytische Varianten (cf. Dimitrescu et alii 1978, 312-313), die in den historischen Dialekten erhalten geblieben sind. Das moderne Rumänisch hingegen kennt nur die synthetische Form, die aber nicht durch ein slawisches Modell erklärt werden kann.

4.0. Versucht man nun abschließend den Grund der wenigen hier angeführten transversalen Übereinstimmungen und Verbindungen des Rumänischen mit den anderen romanischen Idiomen zu erklären, kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen.

4.1. Das konservative Erhalten lateinischer (2.2.6.1. s. impurum), spätlateinischer (2.3.2. die Endung -ora; 2.2.7.1.2 die negativen Imperativformen mit dem Infinitiv) oder frühromanischer Merkmale (2.3.1. das Fehlen des Artikels im Präpositionalsyntagmen) muss als einer der Gründe der transversalen Ähnlichkeiten, angesehen werden. In mehreren Fällen bildet das Rumänische eine diatopische Gruppe mit dem Italienischen und teilweise mit dem Rätoromanischen.

4.2. Ein wichtiger Faktor scheint die Wahl ein und derselben spätlateinischen Varietät der sich allmählich herausbildenden romanischen Sprachen zu sein. Das betrifft einerseits das Altfranzösische, teilweise das Bündnerromanische und das Rumänische, die sich durch ein binäres Demonstrativsystem (2.2.5.) und die Grammatikalisierung des Dativus adnominalis (2.2.7.1.1.) charakterisieren, andererseits das Dolomitenladinische, einige norditalienische Dialekte so wie auch das Rumänische, Idiome die das Erweiterungssuffix –izo (2.3.5.) in der I. Konjugation aufweisen. Es zeichnet sich somit zu Beginn der Entwicklung der romanischen Sprachen eine ‚kontinentale Nordzone’ von den Pyrenäen bis Dakien (Galloromania, Bündnerromanisch, teilweise oberitalienische Dialekte, die dolomitenladinische und friaulische Zone, Dakien ) ab, die sich von einer südlichen Zone (Iberien, Sardinien, Mittel- und Süditalien) unterscheidet.

4.3. Ein Teil der Ähnlichkeiten lässt sich durch parallele Entwicklungen romanischer Strukturen erklären. Dies ist insbesondere der Fall bei den angeführten Ähnlichkeiten des Rumänischen mit den iberischen Sprachen (2.2.1.1. s. die Entwicklung der phonologischen Opposition [a]~[a] im Portugiesischen).

4.4. Dazu kommen noch Beispiele von kognitiven, sehr allgemeinen Gründen, die eine Ähnlichkeit bewirken können, (wie z.B. 2.2.4.2. das Futur mit einem modalen Hilfszeitwort)

4.5. Weniger wichtig scheinen mir Übereinstimmungen, die, ausgehend von spätlateinischen Gegebenheiten, dasselbe lexikalische Material benützen, um gewisse Funktionen auszudrücken. In diesem Fall scheint die ‚unsichtbaren Hand’ der ausschlaggebende Faktor gewesen zu sein (2.2.3. Komparativ mit MAGIS).

4.6. Ein Fragezeichen steht im Fall von gleichen phonetischen Entwicklungen von Idiomen, die geographisch weit entlegen sind, wie z. B. die labiale Entwicklung der Konsonanten mit labiovelarem Appendix im Rumänischen und Sardischen (2.2.5.1) oder die Neutralisierung und Erhaltung von distinktiven Oppositionen, wie im Fall der Erhaltung der Dativformen des Personalpronomens. Es handelt sich wahrscheinlich um gewisse Tendenzen, die wie im ersten Fall zur Labialität führen oder wie im zweiten Fall der Vermeidung von Polysemien dienen, was wiederum die Erhaltung von formalen lateinischen Oppositionen fördert. Weitere Forschungen sind in diesen Fällen notwendig.

2.2.7.1.Rumänisch und Altfranzösisch
2.2.7.1.1. Das Altfranzösische steht dem Rumänischen besonders nahe, wenn man die Entwicklung der Deklination, insbesondere die Herausarbeitung des possessiven Genitivattributs berücksichtigt, die in beiden Idiomen vom lateinischen dativus adnominalis (filius regi) ausgegangen ist. Der dativus adnominalis ist durch die verschiedenen Veränderungen des klassischen lateinischen Deklinationssystems sowie durch kognitive Gründe - die semantische Nähe der Begriffe Attribution (Zuordnung) ’jemandem etwas geben’ und Besitz ‚jemandem gehören’ - zu erklären. Die altfranzösischen Formen filz le roi, li filz le roi, li filz au roi und die rumänischen fiu regelui, fiul regelui, fiu al regelui, gehören ohne Zweifel derselben Entwicklung an. (Für eine ausführliche Beschreibung dieser Entwicklung cf. Iliescu 2006 im Druck).

2.2.7.1.2. Die Tatsache, dass das Altfranzösische und das Altprovenzalische dieselben Imperativformen wie die Sprachen unter 2.3.7.3. aufweisen, untermauert Lausbergs Annahme, dass es sich um spätlateinische oder frühromanische Formen oder besser gesagt Varietäten handelt.


Bibliographie:

Alonso, Amado, Estudios lingüisticos. Temas españoles, Madrid, Gredos, 1954.
Alonso, Amado, Estudios linguisticos. Temas espanoles, Madrid, Gredos, 1961,
Avram. Andrei, ‘Parallèles phonétiques et phonologiques roumano-portugais’, in Actas del XI Congreso Internacional de Linguistica y Filologia Romanicas III, Madrid 1968, 1067-1078.
Avram, Andrei, ‘Sur le passage de [a] à [î] en daco-roumain’, in Revue roumaine de linguistique 9 (1964) 4, 431-436.
Avram, Andrei, ‘Sur les voyelles neutres en roumain, en albanais et dans les langues romanes occidentales, in Revue roumaine de linguistique 35 (1990), 19-27.
Avram, Andrei, Studii de fonologie romanica, Bucuresti, Ed. Academiei, 2000.
Brâncus, Grigore, ‘Albano-Romanica III. Vocala a în româna si albaneza’, in Studii si cercetari lingvistice 24 (1973) 3, 291-296.
Ernst, Gerhard, ’Kontrastive Untersuchungen I. Rumänisch und andere Sprachen’, in LRL VII 757-776.
Dimitrescu, Florica et alii, Istoria limbii române, Bucuresti, Ed.didactica si pedagogica, 1978.
Graur, Alexandru, Tendintele actuale ale limbii române, Bucuresti, 1968.
Iliescu, Maria, ‚Le roumain langue de compromis’, in Hrsg L. Schippel, Im Dialog : Rumänistik im deutschsprachigen Raum, Frankfurt am Main- Berlin u.a., Peter Lang, 2004, 205-210.
Iliescu, Maria, ‚Die logisch-semantische Präposition ‘mit’ im Französischen und im Rumänischen’, in Hrsg. S. Heinemann, G. Bernhard, D. Kattenbusch, Roma et Romania, Festschrift für Gerhard Ernst, Tübingen, Niemeyer, 2002, 169-182.
Iliescu, Maria, ‘Les mystères de l’article français’, in Analele Universitatii din Craiova, 2006, im Druck.
Iliescu, Maria, ‚Das possessive Genitivattribut im Französischen und im Rumänischen’ in Akten des Deutschen Romanistenverbandes, Saarbrücken 2005, im Druck.
Iliescu, Maria, ‚Konvergenz- und Divergenzphänomene in der Romania’. Morphosyntax und Syntax, in Hrsg. Ernst, G., Gleßgen, M..-D. /Schmitt, Chr./ Schweickard, W. Romanische Sprachgeschichte II, Walter de Gruyter, im Druck.
Iliescu, Maria / Mourin, Louis, Typologie de la morphologie verbale romane. Vue synchronique, Innsbruck, Institut für Sprachwissenschaft, 1991.
Kontzi, Reinhold (Hrsg.), Zur Entstehung der romanischen Sprachen, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1978.
Lausberg, Heinrich, Romanische Sprachwissenschaft I (1969), III (1972), Berlin – New York, Walter de Gruyter, Sammlung Göschen.
LRL = Hrsg. Holtus, G. / Metzeltin M. / Schmitt, Chr., Lexikon der Romanistischen Linguistik VII, Tübingen, Niemeyer.1998.
Mourin, Louis, Sursilvain et engadinois ancien et ladin dolomitique, Bruges, 1964.
Petrovici, Emil, Kann das Phonemsystem einer Sprache durch fremden Einfluss umgestaltet werden ? Zum slavischen Einfluss auf das rumänische Lautsystem, The Hague, 1957.
Ramat, Paulo, ‘L’italiano lingua europea’, in (ed.) Sobrero, Alberto, Introduzione all’italiano contemporaneo. La variazione e gli usi, La Terza, 1993.
Rosetti Alexandru, ‘Balcanica, Sur roum. a’ in Linguistique balkanique 9(1968), 1,. 69-70.
Rosetti, Alexandru, Istoria limbii române, Bucuresti, Ed. Academiei, 1986.
Schmitt, Christian, ‚Genèse et typologie des domaines linguistiques de la Galloromania‘, in Travaux de Linguistique et de Littérature Romanes, 12 (1974) 1, 31-63.
Solta, Georg Renatus, ‘Balkanologie’, in LRL VII,1998, 1003-1020.
Tagliavini, Carlo, Il dialetto del Comelico, Genève, Olski, 1926.